Anja Schramm (@miss.hoodie) ist psychologische Psychotherapeutin, die ihre Diplomarbeit zum Thema Bindung bei Kindern geschrieben hat und gleichzeitig die Mama von der kleinen Milli ist. In diesem Gastbeitrag teilt sie mit uns und allen interessierten Eltern ihre professionelle Meinung zum Thema "selbstbestimmtes Schlafen" mit.
Selbstbestimmtes Schlafen – ist gleich bedürfnisorientiert?
Eltern, welche Wert auf eine bedürfnisorientierte Erziehung legen, werden schnell mit dem riesen Schlagwort „selbstbestimmt“ konfrontiert. Das Kleinkind soll alles selbstbestimmt machen, damit es ja nie das Gefühl bekommt, etwas würde über seinen Kopf hinweg entschieden und man „zwinge“ es zu etwas. Klingt erstmal schön und gut, aber kann das wirklich funktionieren? Prinzipiell lautet die Antwort ganz klar Nein. Natürlich ist es hier wie überall – es gibt immer Ausnahmen, nur sind diese tatsächlich äußerst selten.
Doch warum kann das doch so schön klingende Konzept des selbstbestimmten Schlafens nicht funktionieren?
Im Gegensatz zu uns Erwachsenen, sind Kleinkinder noch nicht in der Lage, vorausschauend zu denken und zu handeln. Sie orientieren sich am Prinzip des Lustgewinns und nicht an der Vernunft – was auch gut so ist, schließlich sind es Kinder!! Das heißt jedoch, dass wir Eltern unseren Kindern einen Rahmen bieten müssen, in welchem sie sich optimal entfalten können – ausreichender und erholsamer Schlaf gehört hier dringend dazu. Jeder von uns wird es kennen, am nächsten Morgen klingelt der Wecker zeitig, aber die neue Serie ist einfach zu spannend um auszumachen und rechtzeitig ins Bett zu gehen. Die Rechnung folgt am nächsten Morgen ;) Wir sind müde und im besten Falle ziehen wir für den folgenden Abend unsere Schlüsse und gehen zeitiger ins Bett. Ein Kleinkind kann diesen Schluss hingegen noch nicht ziehen.
Ein Kleinkind kann einfach noch nicht vorausschauend denken und wissen, dass es am nächsten Morgen müde sein wird, wenn es nicht rechtzeitig ins Bett geht. Die Folge ist Übermüdung und somit ein erhöhter Stresshormonpegel im Blut, welcher dazu führt, dass das Einschlafen erschwert und die Nacht unruhig wird. Eltern, welche Wert auf eine konsequente bedürfnisorientierte Erziehung legen, könnten nun in die Falle tappen. Ah, das Kind kann noch nicht einschlafen, also ist es ja noch nicht müde und ich muss es noch länger spielen lassen, da Schlaf nicht seinem aktuellen Bedürfnis entspricht. Leider falsch gedacht… Das Mäuschen ist einfach übermüdet und dadurch wird das Einschlafen erschwert und der so dringend benötigte Schlaf rückt in weite Ferne. Was machen wir Eltern nun, die im Spagat stecken alles richtig machen zu wollen?
Bedürfnisorientiert heißt nicht, dass ein Kind alles selbstbestimmt entscheiden soll, was es aufgrund seiner Hirnentwicklung einfach noch nicht entscheiden kann. Man sagt, erst in etwa mit einem Alter von 6-8 Jahren sind Kinder in der Lage, vorausschauend zu denken – was wiederum nicht heißt dass dann immer die Vernunft siegt ;) Bedürfnisorientiert heißt viel mehr, dass wir Eltern die Bedürfnisse unserer Kinder erkennen und ihnen helfen sollten, diese umzusetzen. Ganz wichtig: hierbei zählen nicht die „oberflächigen“ Bedürfnisse die das Kind in dem Moment angeben würde, sondern die tatsächlichen Grundbedürfnisse. Denn genau das macht den Unterschied – die Kleinen können noch nicht wissen dass ausreichender Schlaf wichtiger ist als Spielen…
Mit freundlichen Grüßen
Anja Schramm
psychologische Psychotherapeutin/Psychotherapeutische Leitung
Zentrum für Anästhesie Intensiv-, Schmerz- und Palliativmedizin